„Mama, ich will auch zur Menschenkette gehen!“ Das kleine Mädchen im Copyshop zerrt an der Hand ihrer Mutter. Sie hat das Gespräch mit der Frau hinter dem Kopierer mitbekommen. Die beiden unterhalten sich seit einigen Minuten darüber, ob man sich morgen noch spontan einreihen solle. „Ich habe mich nicht angemeldet, weil in Barcelona keine Plätze mehr frei waren“, sagt die Mutter. „Aber ich wäre trotzdem gerne dabei.“ Die Verkäuferin entgegnet: „Ich glaube, das wird mir zu voll. Ich schaue es mir lieber im Fernsehen an.“

Gesprächsthema Nummer eins in dieser Woche und vor allem heute: Der katalanische Nationalfeiertag „Diada“ morgen, am 11. September. Angeblich haben sich inzwischen auf allen Streckenabschnitten der Menschenkette genügend Teilnehmer angemeldet. Genaue Zahlen geben die Veranstalter jedoch noch immer nicht bekannt, denn es dürfen sich gerne noch Leute spontan einreihen. Wer einen festen Streckenabschnitt zugeteilt bekommen hat, der wird morgen in extra Bussen für wenig Geld an den „Einsatzort“ quer durch Katalonien befördert. Abfahrt der Busse in Barcelona: 9 Uhr, geplante Rückkehr erst gegen 21 Uhr. Es sollen ja alle pünktlich sein, um 17:14 zur vielleicht längsten Menschenkette aller Zeiten. Grundsätzlich rät die Stadt Barcelona sowieso dazu, sich morgen nicht im Auto auf die Straßen Barcelonas zu begeben – viele werden gesperrt sein. Die Kette selbst führt auf zwei Wegen durch Barcelona: Einmal an der Küste entlang und einmal über die Hauptstraßen, Passeig de Gràcia, Plaça Catalunya, Jaume I, und den Park Ciutadella.

Viele katalanische Facebook-Nutzer haben diese Grafik bereits zu ihrem Profilbild gemacht.

800 freiwillige Fotografen haben sich bereits gemeldet und wollen zusammen ein Mega-Foto der Menschenkette mit allen Abschnitten erstellen. Außerdem putzen sich die Städte mit Katalonien-Flaggen heraus und schmücken die Straßen in gelb-rot. Sogar Torten in den passenden Farben gibt es zu kaufen. Und die Oma von gegenüber hisst auf ihrem Balkon eine Estelada. Viele stolze Katalanen haben auch auf Facebook ihr Profilbild geändert. Eine Grafik mit der Estelada und Aufschrift „Jo vull ser lliure“ („Ich will frei sein“) macht die Runde.

Wie jedes Jahr wird der Nationalfeiertag hauptsächlich Ausdruck der Forderung nach Unabhängigkeit sein. Auch viele Politiker schließen sich der Menschenkette an (Präsident Artur Mas allerdings nicht). Die Regierung investiert außerdem rund 1 Million Euro in einen Festakt am Vormittag mit dem Titel „Spanien gegen Katalonien: ein Blick in die Geschichte (1714 bis 2014)“. Gleichzeitig ist auch Tag der offenen Tür im katalanischen Parlament von 10 bis 14 Uhr und um 20:30 findet ein Klassik-Konzert im Namen der Nation statt.

Übrigens sind auch in anderen Städten außerhalb von Katalonien für morgen Veranstaltungen geplant. Einige Regierungen (unter anderem von Valencia, Alicante und Castellón) haben allerdings bereits angekündigt, Menschenketten in ihrer Region offiziell nicht zuzulassen. Es bleibt allerdings die Vermutung, dass die Katalanen es auch ohne offiziell gesperrte Straßen schaffen, die Kette dort zu organisieren.